Angreifbare Traditionspflege

 

 

Hinterwald. Am gestrigen Pfingstsamstag störten rund 50 linke Demonstranten den alljährliche Kameradschaftsabend der traditionell am Vorabend des Totengedenkens des Kameradenkreises der Gebirgstruppe am Hohen Brendten in Mittenwald stattfindet. Noch in der Nacht setzte die Polizei die Protestierer, die aus Nordrhein-Westfalen angereist waren, in der Jugendherberge am Walchensee fest. Die Demonstranten veröffentlichten daraufhin eine Presseerklärung, die wir nachfolgend dokumentieren:

 

 

 

Pressemitteilung 19. Mai 2002

 

Seit über 50 Jahren veranstaltet zu Pfingsten die Gebirgsdivision 1 (GD1) in Mittenwald eine Gedenkfeier zu Ehren ihrer toten „Helden“, an der teilweise mehrere tausend Menschen teilnehmen. Im Nationalsozialismus verübte diese Einheit der Wehrmacht diverse Massaker an Tausenden von Menschen in Griechenland, Italien, Jugoslawien, Polen und Finnland. Diese Tradition der Verehrung der Mörder und Verhöhnung der Opfer konnte über 50 Jahre lang unbehelligt stattfinden und sich dabei einer großen gesellschaftlichen Akzeptanz erfreuen.

 

 

 

Als Mitveranstalter tritt hier die Bundeswehr - in auffälliger Kontinuität auch heute aktiv in Auslandseinsätzen, wie im Kosovo und Afghanistan -, speziell mit ihrer Gebirgsdivision auf, die die direkte Nachfolgerin der Wehrmachtsdivision ist. Bezeichnenderweise nannte der Kanzlerkandidat der CDU/CSU und Kameradschaftsmitglied, (...) Edmund Stoiber das Treffen „unangreifbare Traditionspflege“. Damit lag er falsch: Am gestrigen Pfingstsamstag besuchten ca. 50 AntifaschistInnen das im Rahmen der Gedenkfeier stattfindende „Schweinebratenessen“ der Gebirgssoldaten in Mittenwald. Dort waren aktive und pensionierte Angehörige der Gebirgsdivision, zwischen 20 und 80 Jahren, versammelt. Zu ihrem Vorhaben, eine Gedenkminute für die Opfer an dem Versammlungsort der Täter zu veranstalten, kamen die AntifaschistInnen allerdings nicht: Die aufgebrachten Traditionspfleger versuchten ihnen die mitgebrachten Schilder, auf denen die Kriegsverbrecher benannt wurden, zu entreißen. Auf die Konfrontation mit ihren Verbrechen reagierten die Täter mit Schlägen und Tritten. Diese erstmalige Behelligung der Naziverbrecher und ihrer Gesinnungsgenossen hatte zur Folge, dass 50 Personen in einer Jugendherberge in Urfeld von der Polizei bis jetzt unter Herbergsarrest gestellt werden. Der Versuch, eine spontane Kundgebung für den heutigen Sonntag in Mittenwald durchzuführen, wurde durch ein polizeiliches Demonstrationsverbot verhindert. Dies erstaunt uns nicht vor dem Hintergrund, dass diese Art der Traditionspflege Bestandteil deutscher Normalität bis heute ist. Brisanz gewinnt dieses Vorhaben der Polizei nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Entschädigungsforderung der Überlebenden und Angehörigen der Opfer der Wehrmacht und speziell der Gebirgsdivision, die derzeit vor allem in Griechenland offensiv artikuliert werden. Wir erklären uns solidarisch mit den Opfern der Gebirgsdivision, der Wehrmacht und des Nationalsozialismus!

 

Kein Vergeben, kein Vergessen!

 

AntifaschistInnen im Hausarrest